Hund und Recht
Jagen und gejagt werden – oder doch Tierquälerei?
Hundehalter Peter Muster ist stolzer Besitzer eines 18 Monate alten Kishu-Rüden. An einem Mittag im Februar geht er wie üblich mit einem befreundeten Hundebesitzer am Waldrand spazieren. Die beiden Hunde dürfen ohne Leine zusammen im Schnee toben. Irgendwann bemerkt Peter, dass er die Hunde nicht mehr sieht. Er ruft, aber sein Hund kommt nicht. Er denkt sich nicht viel dabei, da sein Hund immer mal wieder für drei vier Minuten am Waldrand im Gebüsch verschwindet. Bisher ist er ja immer wieder ohne Probleme gekommen.
Andere Spaziergänger sehen, wie die zwei Hunde einen Jungfuchs gewittert haben, über gut 100 Meter hetzen und dann angreifen. Die Hunde lassen sich nicht mehr vom Fuchs ablenken und zerbeissen ihn. Der später anwesende Jagdaufseher kann den verletzten Fuchs nur noch erlösen.
Hunde sind halbe Wölfe und die Natur ist halt hart? Nein! Wegen Tierquälerei wird bestraft, wer ein Tier misshandelt, vernachlässigt oder dessen Würde in anderer Weise missachtet. So will es das Schweizer Tierschutzgesetz. Als Misshandeln gilt jedes Verhalten, das bei einem Tier ungerechtfertigte Schmerzen, Leiden, Schäden oder Ängste verursacht.
Wird ein Tier mit Absicht misshandelt oder wird das Leid, der Stress und der Schmerz billigend in Kauf genommen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Das billigende Inkaufnehmen wird von Juristen Eventualvorsatz genannt und zählt ebenfalls als vorsätzliche Begehung. Umgangssprachlich kann «billigendes Inkaufnehmen» als «Jenu, dann passiert das halt» umschrieben werden. Wer eine Sorgfaltspflichtverletzung begeht und dadurch fahrlässig eine Misshandlung, Stress oder Schmerz eines Tieres bewirkt, wird mit Geldstrafe bis 180 Tagessätze bestraft.
Es wird aber nicht nur aktives Handeln bestraft, sondern auch pflichtwidriges Nichts-Tun! Damit ein solches Unterlassen einer Handlung strafbar ist, muss dieses Unterlassen vorgeworfen werden können. Dies ist dann der Fall, wenn eine Pflicht bestanden hätte, etwas zu tun. Eine solche Pflicht ergibt sich für Hundehalter insbesondere daraus, dass jeder Hundehalter seinen Hund gut behandeln muss. Das heisst, dass ich als Hundehalter meinen Hund angemessen pflegen, versorgen, ernähren, beschäftigen, bewegen muss, und so weiter.
Ein Hundehalter ist aber auch verpflichtet, seinen Hund so zu halten, dass er für Menschen und Tiere nicht gefährlich ist. Das heisst, dass ein Hund je nachdem angeleint sein muss, erzogen werden muss, einen Maulkorb tragen muss, und so weiter. Was genau nötig ist, ergibt sich im Einzelfall aus den konkreten Umständen. Ein junger Jagdhund, der den Rückruf noch nicht kann, wenn es Ablenkung hat, muss am Waldrand auch ausserhalb von Leinenpflichtzeiten oder –Zonen angeleint bleiben. Ein sehr alter, übergewichtiger Spitz mit perfektem Rückruf nicht. Dazwischen ist die Sache nicht immer einfach zu beurteilen.
Im einleitend genannten Beispiel kam das Obergericht des Kantons Zürich zum Schluss, dass der Fuchs durch den Angriff und die Bisse der Hunde Verletzungen an der Schnauze und am Hals erlitt und erlöst werden musste. Dadurch erlitt der Fuchs unnötig und ungerechtfertigt Stress, Schmerz und Leid. Der Fuchs wurde somit im Sinne des Tierschutzgesetzes gequält. Das Gericht musste dann entscheiden, ob der Hundehalter den Fuchs vorsätzlich misshandelte oder bloss fahrlässig durch eine Sorgfaltspflichtverletzung.
Hat Peter den Angriff seines Hundes auf den Fuchs in einem unbeaufsichtigten Zeitraum für möglich gehalten und dennoch nicht verhindert, weil es ihm egal war oder er sich damit abgefunden hat, liegt Eventualvorsatz und damit Vorsatz vor. Hat Peter den Angriff nicht für möglich gehalten, aber hätte es wissen können und müssen, läge Fahrlässigkeit vor. Ebenso, wenn Peter den Angriff zwar für möglich gehalten, aber pflichtwidrig darauf vertraut hat, dass das schon nicht passiere oder er den Hund noch abrufen könne.
Bei diesen Fragen handelt es sich um die Gedanken von Peter. Da die Gedanken nicht gelesen werden können, nimmt man sein Verhalten und allenfalls weitere Umstände und schliesst daraus auf die Gedanken. Es kommt daher ganz wesentlich auf die konkreten Umstände an und darauf, was Peter gegenüber Jagdaufseher, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht gesagt hat.
In unserem Beispiel handelte es sich um einen Kishu-Hund, also um eine japanische Jagdrasse. Trotz dem vorhandenen Jagdtrieb hat Peter seinen jungen Hund in Waldnähe nicht angeleint. Er sagte aus, dass er seinen Hund jeweils minutenlang ausser Sichtweite frei laufen lasse, und nicht immer abrufen könne. Es sei auch schon vorgekommen, dass er Rehen oder Eichhörnchen nachgerannt sei. Aus diesen und weiteren, ähnlichen Aussagen schloss das Gericht, dass Peter wusste, dass sein Hund einem Wildtier nachrennen könnte, und dass ihm dies egal war.
Deswegen wurde Peter vom Obergericht Zürich wegen vorsätzlicher Tierquälerei am Fuchs verurteilt. Er erhielt eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen und, in Kombination mit Bussen aus weiteren Übertretungen gegen das kantonale Hundegesetz und gegen das Jagdgesetz, eine Busse von Fr. 1 300.–, und musste die Gebühren von Fr. 8 240.– für die Verfahren vor Bezirksgericht und Obergericht bezahlen. Die Höhe eines Tagessatzes hängt von Peters Einkommen ab und ist in der Regel zwischen Fr. 30.– und Fr. 3 000.–.
Was können wir von diesem Fall mitnehmen? Als Hundehalter müssen wir verhindern, dass unsere Hunde auf Wildtiere losgehen. Wer von seinem Hund weiss oder wissen müsste, dass er einen Jagdtrieb hat, muss besonders vorsichtig sein. Wer nicht sicher ist, dass er seinen Hund abrufen kann, auch wenn er gerade einem Fuchs oder Reh nachrennt, muss besonders vorsichtig sein. Denn wir müssen verhindern, dass der Hund ein Wildtier oder andere Haustiere hetzt, beisst oder reisst. Gut beraten ist, wer in solchen Fällen seinen Hund an der Leine hat.
Wer mit der Polizei spricht, weil sein Hund gerade ein anderes Tier gehetzt, gebissen oder gerissen hat, muss besonders vorsichtig sein. Denn die Strafe hängt wesentlich davon ab, was der Hundehalter aussagt. Gut beraten ist, wer in solchen Fällen einen Rechtsanwalt dabei hat.
Als Hundehalter und Rechtsanwalt stehen ich und die Kanzlei Weber Wyler von Gleichenstein Ihnen gerne zur Verfügung. Für Beratung, Begleitung und Verteidigung.
Thiemo Pirani ist als Rechtsanwalt bei der Kanzlei Weber Wyler von Gleichenstein in Frauenfeld tätig. Weber Wyler von Gleichenstein fokussiert auf die umfassende Beratung und Vertretung von Privatpersonen und KMU-Betrieben.